Am Montag, dem 13.10., fuhren Magdalena und ich gemeinsam in die Schule. Ich war unglaublich froh, dass sie fuhr, denn mir ging es an diesem Morgen überhaupt nicht gut. Nach der ersten Chemo sind meine Neutrophilen stark gefallen, deshalb musste ich mir mehrere Tage ein Medikament spritzen. Die Nebenwirkungen: Gliederschmerzen und Hitzewallungen. In dieser Nacht waren die Schmerzen so schlimm, dass ich kaum geschlafen habe. Es fühlt sich an, als hätte man am ganzen Körper blaue Flecken.
Mein Freund wollte mich überreden, zuhause zu bleiben, aber das kam für mich nicht infrage.
Trotz allem ging ich die nächsten Tage in die Schule. Es war anstrengend, aber irgendwie ging es – bis Donnerstag. Da kippte alles.
Schon beim Aufstehen merkte ich, dass etwas nicht stimmt. Mein Kreislauf war wackelig, mein Zittern stärker als sonst. Magda und ich gingen langsam zur Schule. Normalerweise brauchen wir nicht einmal zehn Minuten auf komplett ebenem Weg, aber an diesem Tag fühlte es sich an wie ein Berganstieg. Ich begann beim Gehen zu schwitzen und war völlig erschöpft, bevor der Tag überhaupt angefangen hatte. In der Klasse musste ich mich erst mal auf das Sofa legen. Nach der zweiten Unterrichtseinheit wurde es nicht besser, also ging ich hinüber in die Onkologische Ambulanz, wo ohnehin eine Blutkontrolle geplant war.
Dort setzten sie mich sofort in einen separaten Raum – falls mein Blutbild schlecht ausfallen sollte. Es wurden Blutproben aus dem PICC und zusätzlich venös abgenommen, weil sich die Einstichstelle entzündet hatte und man abklären wollte, ob eine Infektion vorlag. Ich bekam eine FFP2-Maske und wartete. Das Ergebnis kam schnell: Neutropenie. Fast keine Neutrophilen mehr, also praktisch keine Abwehrkräfte. Mein Neutro-Abs lag bei nur 0,06 × 10⁹/L, die Neutrophilen bei 20,7 – das deutet auf eine schwere Neutropenie hin (unter 500/µl) und erhöht das Infektionsrisiko erheblich, da Neutrophile Infektionen bekämpfen.
In dem Moment wurde mir erst richtig bewusst, wie sehr die Chemo meinen Körper im Griff hat.
Die DGKP sagte mir direkt, dass ich auf der Station bleiben müsse. Und da war klar: Heute gehe ich nicht mehr nach Hause. Oben wurde ein Aufnahmegespräch gemacht, und ich bekam ein Zimmer. Vor meiner Tür lagen Handschuhe, Mundschutz, Kittel, Haube – alles bereit zum Einkleiden. Auf der Tür ein großes Schild mit Anweisungen. Als ich das realisierte, kamen mir einfach die Tränen. Erst letzte Woche war ich vier Tage wegen der Chemo im Krankenhaus – und jetzt wieder. Ich kann es nicht anders sagen: Es war einfach nur Scheiße.
Zum Glück habe ich Magda, die mir auch diesmal wieder meine Schulsachen brachte und mich besuchte.
Am Abend fragte mich die DGKP, ob ich noch mit einem Arzt sprechen wolle. Aber ich wusste ja, dass ich bleiben musste, und über die Medikation war ich bereits aufgeklärt. Die Visite am nächsten Tag würde mir völlig reichen. Ich wollte auch ehrlich gesagt nur Ruhe, denn ich war frustriert, traurig und völlig fertig. Also ging ich früh ins Bett und versuchte einfach zu schlafen.
Freitagmorgen kam eine DGKP zur Blutabnahme und Fieberkontrolle. Normalerweise wird über meinen PICC am Oberarm Blut abgenommen – doch der verweigerte komplett seinen Dienst. Spülen ging, aber Blut kam keines. Ich habe kein Problem mit Nadeln, aber in der Gesamtsituation fühlte ich mich nur noch mehr von meinem Körper „verarscht“. Also wurde das ganze Wochenende venös abgenommen. Später erklärte mir die Ärztin, dass ich wahrscheinlich erst am Montag heim dürfe. Isolation war notwendig, das wusste ich, aber angenehm war es trotzdem nicht. Ich sollte weiter Zarzio (die Spritze für die weißen Blutkörperchen – gegen Neutropenie) bekommen und sofort melden, wenn ich blaue Flecken oder andere Veränderungen bemerkte.
Zumindest war das gesamte Ärzteteam und alle DGKP‘s unglaublich freundlich, und ich fühlte mich gut betreut.
Das Schwerste war, zu akzeptieren, dass mein Körper gerade ein anderes Programm fährt als mein sturer Kopf. Am liebsten hätte ich mich selbst entlassen. Doch das ging natürlich nicht. Und obwohl ich normalerweise positiv bin und vieles mit Humor nehme, war an diesem Wochenende davon wenig übrig. Ich fühlte mich machtlos – und das ist ein Gefühl, das ich nur schwer aushalte.
Trotzdem klammerte ich mich an die Hoffnung, dass die ambulanten Chemotherapien, die nun folgen würden, meinen Körper weniger belasten. Und dass er mir endlich wieder ein bisschen Zeit zum Durchatmen lässt. Aber wahrscheinlich müsste auch ich meinem Körper mehr Zeit für Ruhe geben.
Das Einzige, das wirklich positiv an der Isolation war: Ich konnte in Ruhe für meine anstehenden Tests lernen. Am Mittwoch stand nämlich die erste Prüfung im neuen Semester an – und gleichzeitig meine erste Prüfung während der Therapie.
Am Samstag kam mein Freund mich besuchen. Auch er musste sich komplett einkleiden, was anfangs etwas befremdlich aussah, aber ich war einfach nur froh über die Ablenkung. Am Sonntag wurde ich entisoliert, weil sich meine Werte stabilisierten. Mein Freund kam wieder, und gemeinsam verließen wir zum ersten Mal seit Donnerstag mein Zimmer. Trotzdem durfte ich erst am Montag nach Hause, nach einem letzten Blutbild. Zum Glück waren die Werte gut. Die Mama und die Schwester meines Freundes holten mich ab, und ich war einfach nur erleichtert, nach Hause zu dürfen.
Am Dienstag ging ich nicht gleich wieder in die Schule, sondern blieb noch einen Tag daheim. Ich muss ehrlich sagen: Psychisch hätte ich es nicht ausgehalten, nicht „daheim-daheim“ zu sein. Ich bin gerne in meiner Wohnung mit Magda, aber nach diesen Tagen brauchte ich mein Zuhause, meine Mama, meine Katze. Am Mittwoch, dem 22.10., fuhr ich wieder in die Schule – denn an diesem Tag stand direkt die erste Prüfung an.
Ich hatte großen Respekt davor. Mein Gedächtnis ist seit der Chemo wirklich anders. Bei meiner ersten Behandlung erklärte mir meine DGKP das Chemo-Brain: Konzentrationsprobleme, Gedächtnislücken, Wortfindungsstörungen. Anfangs dachte ich, so schlimm wird es schon nicht sein. Aber doch – es ist genauso. Ich vergesse mitten in Tätigkeiten, suche ständig nach Worten und fühle mich oft „vernebelt“.
Kein Wunder, dass ich Angst vor der Prüfung hatte.
Zum Glück lief der Test gut, und auch die restliche Woche war ich körperlich stabil. Am Montag, dem 27.10., ging es zu meiner ersten ambulanten Chemo. Jetzt hoffe ich einfach, dass die nächste Runde etwas entspannter wird – aber dazu erzähle ich euch nächste Woche mehr.
Ich habe in letzter Zeit sehr viel positives Feedback zu meinem Blog bekommen, und dafür möchte ich mich bei euch allen bedanken. Es bedeutet mir wirklich viel, dass ihr euch die Zeit nehmt und meine Geschichte verfolgt.
Wenn ihr Fragen habt oder etwas genauer wissen möchtet, könnt ihr mir jederzeit gerne schreiben.
Ich hoffe, dass ich Menschen, die mit dem Thema Krebs oder Chemotherapie bisher keine Berührung hatten, einen kleinen Einblick geben kann. Und gleichzeitig wünsche ich jedem von Herzen, dass ihr nie einen persönlichen Bezug dazu haben müsst.🫶🏻
Bleibt gesund und bis nächste Woche.
Eure Theresa 🌸✌🏻
Kommentar hinzufügen
Kommentare