Am Morgen der ambulanten Chemo fuhr mich mein Freund ins Krankenhaus, da ich an den Chemo-Tagen und auch danach nicht selbst fahren darf. Ich war irgendwie leicht nervös, aber auch erleichtert, dass nun der nächste "leichtere" Schritt in meiner Therapie beginnen sollte. Bei der ambulanten Chemo meldet man sich morgens an und bekommt dann einen Platz oder Sessel zugeteilt. Zuerst wird Blut abgenommen und nach dem Gewicht gefragt. Das Laborergebnis dauert meist eine Stunde, und wenn alles passt, muss die Ärztin nur noch die Chemo freigeben. Wenn man selbst keine weiteren Fragen hat, kann es auch schon losgehen.
Ich bekam meine Prämedikation, und etwa 30 Minuten später wurde die erste Infusion angehängt. Ich merkte schon nach kurzer Zeit, wie ich richtig müde wurde. Zuerst wusste ich nicht, warum, aber die DGKP erklärte mir, dass es an der ersten Infusion lag. Eigentlich wollte ich in der Zeit etwas für die Schule machen, aber nach kurzer Zeit packte ich meine Sachen wieder ein – schlafen konnte ich einfach nicht widerstehen.
Die Infusionen dauern immer unterschiedlich lange, aber mit dem Infusomat, diesem grünen Gerät, das an den Infusionen hängt, merkt man gleich, wenn sie fertig sind. Das Gerät stellt die Tropfgeschwindigkeit ganz genau ein, damit die Therapie in der richtigen Geschwindigkeit läuft. So vergeht der Vormittag eigentlich ziemlich schnell. Meine Therapie dauerte bis etwa 14:00 Uhr, und danach holte mich meine Mutter ab.
Auf dem Heimweg hielten wir bei McDonald's, was mir beim letzten Mal schon Übelkeit beschert hatte – und auch diesmal war es leider wieder so. Aber irgendwie war mir das in dem Moment völlig egal.
Ich hatte gehofft, dass diese Chemotherapie viel leichter wäre und ich kaum Nebenwirkungen erleben würde, aber da habe ich mich wohl etwas getäuscht. Ich bemerkte, wie sich ein Kribbeln in meinen Fingerspitzen ausbreitete. Anfangs kam es ganz schleichend, aber ich wusste schnell, dass es sich um eine Polyneuropathie handelt – eine nervenschädigende Nebenwirkung vieler Krebsmedikamente, die das periphere Nervensystem betrifft. Es äußert sich oft durch Kribbeln, Taubheit oder Ameisenlaufen in den Händen und Füßen, weil die Nervenreize gestört sind.
Glücklicherweise habe ich das Gefühl nur in Daumen und Zeigefinger. Meine Oma hatte ebenfalls Krebs und litt unter der gleichen Nebenwirkung. Sie konnte unser Metall-Treppengeländer nicht anfassen, weil es das Kribbeln verstärkte. Bei mir ist es nicht das Geländer, sondern mein MacBook, besonders das Touchpad. Es ist ein Gefühl, das man wirklich nicht braucht. Manchmal, wenn ich etwas in der Hand halte, merke ich gar nicht, wie meine Fingerkuppen sich anfühlen. Das hört sich verrückt an, aber ich muss mich dann wirklich konzentrieren, um sie zu spüren. Glücklicherweise wird das Kribbeln durch Reize etwas leichter, aber es ist momentan noch da.
Am Donnerstag, den 30.10., hatten wir erneut eine Prüfung, und wie bei der letzten Mal stieg auch diesmal wieder die Panik. Es ist diese Angst vor dem Versagen, die mich trotz allem begleitet. Ich bin so froh, dass ich meine Ausbildung fortsetzen kann, aber gleichzeitig habe ich auch einen höheren Anspruch an mich selbst als je zuvor. Am Ende lief alles gut, und ich konnte mich riesig über eine 1 als Endnote freuen.
Das Wochenende lief dann nicht ganz so reibungslos, da mein Kreislauf wieder nicht mitspielte. Ich merkte, wie alles anstrengender wurde, schwankte zwischen heiß und kalt und hatte Zittern am ganzen Körper. Es fühlte sich an, als würde jemand Strom durch mich hindurch jagen. Ich dachte mir nur: „Nicht schon wieder eine Neutropenie!“ Aber dazu erzähle ich euch nächste Woche mehr.
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Ich wünsche dir alles gute. Immer positiv denken......nie negativ.