Montag, 06.10., 7:30 Uhr.
Ich meldete mich im Krankenhaus für meinen nächsten viertägigen Chemozyklus an. Alles lief ab wie beim letzten Mal: EKG, Blutbild, Blutdruck, Zucker – die mittlerweile schon vertraute Routine. Danach wurde mir mein Zimmer gezeigt, und ich richtete mich ein. Dieses kleine Einrichten gibt mir jedes Mal ein bisschen Kontrolle zurück, auch wenn der Rest sich oft so unberechenbar anfühlt.
Am Vormittag schlief ich kurz ein, bis die Medikamente für die Chemo gebracht wurden. Gegen 13 Uhr bekam ich die erste Infusion dieser Woche. Nebenwirkungen spürte ich kaum; keine wirkliche Übelkeit, nichts Dramatisches. Nur das Schlafen fiel mir schwerer als sonst – aber im Krankenhaus schläft wohl niemand besonders gut.
Am Dienstag kam meine Mutter zu Besuch. Sie brachte den Rasierapparat mit, weil meine kurzen Haare weiterhin stark ausfielen. Mein Kopf sah durch die kahlen Stellen fleckig aus, also haben wir sie noch einmal auf einen halben Zentimeter gekürzt. Es fühlte sich ehrlich gesagt besser an, als ständig die Haarstoppeln am Polster zu haben.
Körperlich hatte ich nur leichte Übelkeit, dafür wurde mein Gesicht sichtbar runder. Das Cortison hinterlässt bei mir seine Spuren – und zwar deutlich.
Für diesen Zyklus hatte ich mir Häkelzubehör mitgebracht, um die Zeit totzuschlagen. Inzwischen weiß ich: Häkeln wird ganz sicher kein Hobby meiner Zukunft. Auch das ist eine Erkenntnis.
Meine Langeweile habe ich dann eher mit Gilmore Girl's oder Schulsachen überbrückt. Dank meiner Klassenkameradinnen wusste ich immer grob, was anstand. Ohne ihren Zusammenhalt und ihre Unterstützung wäre es mir sicher nicht so „leicht“ gefallen, weiterhin am Unterricht dranzubleiben.
Am Mittwoch bekam ich die Chemo wieder nach dem Mittagessen angehängt. Sie machte mich wahnsinnig müde, aber ich wollte nicht sofort einschlafen, weil ich sonst abends kein Auge mehr zugekriegt hätte. Den ganzen Nachmittag über hatte ich ständig Hunger. Die Klinik versorgte mich zwar gut, aber mein Cortison-Hunger ist… speziell. Ich hatte plötzlich Appetit auf alles Ungesunde oder Essig-Saures. Es ist schon verrückt, wie sehr sich der Geschmack verändern kann.
Am Abend kam mein Vater vorbei und brachte mir – wie immer – etwas zum Naschen mit. Gut gestärkt ging ich dann schlafen.
Der Donnerstag war anstrengend. Ich war müde, schlapp und total aufgeschwollen. Mein Gesicht, meine Beine – alles fühlte sich fremd an, und meine Augen sahen aus, als hätte ich seit Tagen nicht geschlafen. Während die Chemo lief, schlief ich irgendwann trotzdem ein, einfach weil mein Körper nicht mehr konnte. So verging die Zeit immerhin schneller.
Als meine Mutter mich abholte, war ich einfach nur froh, nach Hause zu dürfen.
Zur „Belohnung“ hielten wir auf dem Heimweg bei McDonald's an. Ich wollte unbedingt einen Cheeseburger – eine Entscheidung, die mir später zwar Übelkeit eingebracht hat, aber ganz ehrlich: Er war es wert.
Am Freitag habe ich dann von Zuhause aus online am Unterricht teilgenommen. Morgens war ich noch richtig erschöpft von der Woche, aber es tat mir irgendwie gut, wieder ein bisschen Alltag zu haben – auch wenn „Alltag“ sich gerade ständig anders anfühlt. Ich saß mit meinem Tee vor dem Laptop, noch ziemlich aufgequollen im Gesicht, aber immerhin in meinen eigenen vier Wänden. Und es war schön, die Stimmen meiner Klassenkameradinnen zu hören, selbst wenn ich nur auf dem Bildschirm dabei war. Es gab mir das Gefühl, dass mein Leben außerhalb des Krankenhauses nicht komplett stehen geblieben ist.
Ich war richtig froh, als mein letzter viertägiger Chemozyklus vorbei war. Ich dachte, dass es jetzt leichter wird, weil ich nur noch ambulant zur Chemo muss. Aber ich habe mich zu früh gefreut – denn so einfach wurde es dann doch nicht.
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Du bist so stark!!